Reise durch Italiens rechte Fußball-Fanszene
Der Torjäger des
italienischen Fußballclubs Lazio Rom, Paolo Di Canio, will die
Aufregung um seine Geste beim Spiel gegen den Erzrivalen AS Rom nicht
verstehen. Bei seinem 1:0-Führungstreffer am 6. Januar hatte er vor der
Fankurve der Lazio-Anhänger den rechten Arm gehoben und damit einen
Skandal offensichtlich gemacht, der weit über Italiens Grenzen hinaus
geht. Di Canio bestreitet zwar, den Gruß der italienischen Faschisten
imitiert zu haben, der 36-Jährige macht aber aus seiner Bewunderung für
den italienischen Diktator Benito Mussolini keinen Hehl. So trägt er
beispielsweise eine Tätowierung "Dux" (lateinisch: Führer) auf dem Arm.
Der Staatsanwaltschaft, die den Fall prüft, sowie den italienischen
Vereinen ist der braune Sumpf unter Fußball-Fans längst bekannt.
Der
Hauptdarsteller fehlte wegen Fieber, für seine Fans aber stand er
trotzdem im Mittelpunkt. "Paolo Di Canio - das Volk klatscht dir
Beifall", stand auf einem meterlangen Spruchband, das Dutzende Anhänger
während des Spiels in der Fankurve hochhielten. Die Anhänger von Lazio
Rom haben ihrem Idol den Faschistengruß aus dem Derby nicht übel
genommen. Im Gegenteil: "Die Leute, die sich in ganz Europa über Di
Canio aufregen, sollen sich um die Probleme Europas kümmern und nicht
um den römischen Gruß von Paolo Di Canio. Ich und wir alle anderen hier
sind voll und ganz einverstanden mit dem, was Di Canio gemacht hat.
Denn wir hier in der Kurve sind alle ein bisschen wie er", verteidigt
ein Fan seinen Star. Das zeigten die Lazio-Anhänger auch jüngst im
Spiel gegen Palermo. Sprechchöre für Di Canio, dabei strecken hunderte
Anhänger - wie ihr Vorbild vor einer Woche - den rechten Arm zum
Faschistengruß.
Mussolini-Büste im Fanclub
Wer den größten Lazio-Fanclub, die "Irriducibili", in der Nähe des Bahnhofs Ostiense besucht, wundert sich darüber nicht. Einige Treppenstufen geht es zum Clubraum hinunter. Dort steht in der Ecke - neben einem Di-Canio-Aufkleber - eine Büste des faschistischen Diktators Mussolini, an der Wand rechts hängt ein Plakat mit Mussolini und Hitler. Was das mit Fußball zu tun hat? Einiges, sagt Fanclub-Chef Fabrizio Tofolo: "Für uns ist er auch ein Vorbild. Mussolini steht für vieles, an das wir glauben. Ehre und Treue, Werte und Ideale - Werte, die in unserer Gesellschaft immer weniger werden."
Rechte Parteien setzen Fanclub-Chefs auf Wahllisten
Toffolo und die "Irriducibili" sind in Roms Fußballszene keine Randgruppe. Mehrere tausend Lazio-Anhänger bekennen sich zu dem rechtsradikalen Fanclub, eine Zeit lang lief über ihn sogar der Vertrieb von offiziellen Lazio-Vereinsartikeln. Dieser braune Sumpf rund um Lazio Rom, sagt Fanforscher und Buchautor Guido Caldiron, ist in Italiens Fußballszene keine Ausnahme: "Seit vielen Jahren versucht die radikale Rechte die Fankurven in Italien auf ihre Seite zu ziehen. Dass bei Wahlen Fanklubführer auf ihren Listen aufgestellt werden, ist keine Seltenheit. Vor einigen Jahren gab es einen Kongress der jetzigen Regierungspartei Alleanza Nazionale, auf dem es hieß: "Die Liebe zum Fußballklub ist im Kleinen, das was wir für die jungen Leute in Italien wollen: Eine Rückkehr zum Nationalismus."
"Für uns war er ein großer Führer"
Auch die Fankurve des anderen Hauptstadtklubs, des dreifachen Meisters AS Rom, ist fest in der Hand rechtsradikaler Gruppen. Der größte Fanklub, "Roma Boys", hat seinen Sitz im Stadtteil San Lorenzo. Zugang gibt es nur per Klingel und Gesichtskontrolle. Wer drin ist, sieht auch hier schnell, woher politisch der Wind weht. Unter dem Fernseher steht eine Statue von Mussolini, an der Wand hängt eine Büste des ehemaligen Diktators. "Für uns war er ein großer Führer", sagt der Fanklub-Vorsitzende Paolo Zapavina. "Auch wenn er Fehler gemacht hat, wie jeder Mensch. Aber er hat viel für Italien getan, er war in vielen Dingen ein Vorbild."
Die Offiziellen schweigen und geizen
Derart rechtsextreme Parolen regen in Italiens Fußballszene kaum
jemanden auf. Die "Roma Boys" organisieren mit Billigung der
Vereinsführung weiter offizielle Fanreisen zu Auswärtsspielen. Ähnlich
rechtsradikale Fans bestimmen auch das Bild und die Sprechchöre bei
Inter Mailand und Hellas Verona. Ein Grund für das Schweigen vieler
Präsidenten: Sie haben schlicht Angst vor der Macht der Fanklubs. Denn
sie wissen: Wenn die Anhänger im Stadion Parolen gegen die
Vereinsführung rufen, steigt schnell der Druck durch die Medien: Der
eigene Stuhl fängt an zu wackeln. Der italienische Fußballverband geht
mit dem Problem rechtsradikaler Fans ziemlich gleichgültig um. In ganz
Italien gibt es nur ein Fanprojekt gegen Intoleranz und Rassismus. Das
Projekt ist finanziert von der Europäischen Union. Der Fußballverband
und die Vereine weigern sich bis heute, Geld dazu zu geben.
source: ARD